Geschichte

Die Entwicklung der Buchbinderei
Die Buchbinderei ist ein sehr altes Handwerk, das schon im frühen Mittelalter in Klöstern ausgeübt wurde. Unter anderem dieser Tatsache verdanken wir, dass wir heute über schriftliche Quellen verfügen, die Hunderte von Jahren alt sind. Seit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert gab es für Buchbinder immer mehr Arbeit; Buchbinderei war ein blühender Geschäftszweig. In Bibliotheken und Museen können wir zahllose prächtige Bücher bewundern, die im Lauf der Jahrhunderte von Buchbindemeistern gefertigt worden sind. Seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde das Buchbinden allmählich von Maschinen übernommen, und jetzt kommt beim Einbinden der unfassbar großen jährlichen Buchproduktion kaum noch eine Menschenhand zum Einsatz. Nach dem 2. Weltkrieg drohte die Handbuchbinderei sogar ganz zu verschwinden; Handbuchbindereien musste man mit der Lupe suchen. Mit dem Aussterben des Handwerks drohten auch das in Jahrhunderten gewachsene Wissen und Können verloren zu gehen.

Verbände und Zeitschriften
Die erste Messe in den Niederlanden
Der Leidenschaft und Beharrlichkeit weniger Pioniere ist es zu verdanken, dass dieser betrüblichen Entwicklung im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts ein Ende gemacht wurde: man leitete eine Reihe von Initiativen ein, um dem Handbuchbinden neues Leben einzuhauchen. In den Niederlanden wurden sogar zwei Verbände für Handbuchbinder und Liebhaber des handgebundenen Buches gegründet. Man vermittelte interessierten Menschen in kurzen Kursen die Handfertigkeiten. In diesem kleinen, aber wachsenden Kreis wurde ein Informationsblättchen herumgeschickt. Zeitweise gab es sogar zwei vollgültige Zeitschriften für Handbuchbinder, die jetzt fusioniert sind. Mitte der 80er Jahre wurde in Amsterdam die erste Handbuchbinder-Messe veranstaltet, die nachher nach Leiden umzog. Die im ganzen Land verstreut arbeitenden Handbuchbinder hatten damit die Möglichkeit, sich zu treffen und gleichzeitig die benötigten Materialien zu kaufen.

Wachstum
Heute kann man feststellen, dass die Handbuchbinderei sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Es sind nicht nur Rentner, die sich mit Buchbinderei befassen; in den letzten Jahren nimmt auch bei jüngeren Menschen die Beliebtheit zu. Buchbinderei gehört wieder zum Lehrplan der Ausbildung in grafischen Berufen. Es gibt große internationale Wettbewerbe, für die Arbeiten von guter Qualität eingereicht werden. Handbuchbinderei ist wieder im Bewusstsein und wird von vielen Menschen mit Begeisterung ausgeübt. Und noch immer gilt, dass sie es aus Liebhaberei zu einem schönen Handwerk und aus Freude an schönen Dingen tun; ein schön gebundenes Buch gehört zweifellos zu den schönen Dingen.

Nach Belgien
Innerhalb von etwa zehn Jahren entwickelte sich die Buchbindermesse in den Niederlanden zu einem gut besuchten Ereignis, das von Buchbindern, Buchrestauratoren, Schrift- und Papierkünstlern sehnsüchtig erwartet wurde. Die weltweit renommierte Marmoriererin Karli Frigge ergriff nun die Initiative und wagte zusammen mit einigen anderen Ausstellern den Sprung nach Belgien. Im Raum hinter einem Café am Dageraadsplaats in Antwerpen-Borgerhout unternahmen sie einen vorsichtigen Versuch und veranstalteten die erste Buchbindermesse in Belgien. Zu Beginn gab es nicht viel Zulauf. Wie soll man auch in einem fremden Land ohne Verband und ohne Zeitschrift die Handbuchbinder und andere potentielle Interessenten erreichen?

Hartnäckigkeit
Und wie findet man in ganz Europa die Menschen, deren Wissen, Sachkunde und Arbeit es rechtfertigen, auf einer Buchbindermesse gezeigt zu werden? Dranbleiben, weitersuchen, alle möglichen Vorschlägen nachgehen, den Entwicklungen folgen und immer bereit sein, Menschen für die Sache zu gewinnen. Das Ergebnis war ein Erfolg: Nachdem die erste Zurückhaltung überwunden war, nahm die Zahl der Aussteller stetig zu. Dasselbe galt für die belgischen Buchbinder, die die Messe schnell zu finden wussten und begeistert waren.

Organisation
Inzwischen – es war das Jahr 1998 – hatte Karli mich um Hilfe beim Organisieren und Ausbauen der Buchbindermesse in Belgien gebeten. Karli kann die allerschönsten Marmorpapiere machen, aber Organisation ist ein ganz anderes Ding. Ich hatte jahrelange Erfahrung mit der Organisation von großen und kleinen Veranstaltungen und vor kurzer Zeit die Welt des Buchbindens für mich entdeckt. Ich half Karli gern.
Ihr breitgefächertes Wissen über Buchbinderei gab sie ebenso sorgfältig an mich weiter wie ihre Erkenntnisse über die Vor- und Nachlieben von Buchbindern und die Gepflogenheiten des Marktes. Anfang 2002 zog sie sich aus der Organisation zurück.

Verwandte Gewerke
Außerdem kann man sich auf der Buchbindermesse über die Tätigkeiten anderer Handwerker und Künstler informieren, die sich mit der Herstellung von Materialien und Werkzeugen für die Handbuchbinderei befassen Papiermacher, Pergamentmacher, Gerber, Buntpapiermacher, Vergolder und Feinmechaniker. Spezialisten demonstrierten ihr Können im Werkzeugschleifen, Vergolden, Kalligraphieren, Lederschärfen, Marmorieren, Papierschöpfen usw.
Für alle galt und gilt, dass sie ihre Arbeit in meist hoher Qualität und aus Liebe zu einem Handwerk tun, das nicht vergessen werden darf.

Deutschland
2000 beschlossen wir, eine Messe in Deutschland zu organisieren, und zwar in Köln. Auch in Deutschland war eine Buchbindermesse bis dahin unbekannt, also wurde es höchste Zeit.

Wir fanden Quartier in der Werkstatt Palette, einer Einrichtung der GWK (Gemeinnützige Werkstätten Köln), in der Menschen mit Behinderung arbeiten. Die Werkstatt Palette hat mehrere Arbeitsbereiche, unter anderem Druckerei (in der Werkstatt stehen mehrere schöne Druckmaschinen) und Buchbinderei.

Dank der Begeisterung des damaligen Betriebsleiters Eberhard Maurer, der uns gastfrei aufnahm und uns mit Rat und Tat zur Seite stand, konnte die Buchbindermesse auch in Köln zu einer gut besuchten Veranstaltung werden. Ich bin allen Mitarbeitern der Palette jedes Jahr von Neuem dankbar für ihr großes Engagement bei der Durchführung „ihrer Bubi-Messe“.

Veranstaltungsorte
2003 war die Buchbindermesse Belgien nach sieben Jahren schon aus dem zweiten Veranstaltungsort hinausgewachsen: dem stimmungsvollen Zuiderpershuis am Waalse Kaai in Antwerpen. Ein herrliches Haus, aber es war halt zu klein geworden. Wir fanden einen neuen Veranstaltungsort, Het Alpheusdal in Berchem; das war weniger stimmungsvoll, aber groß genug und gut zu erreichen. Aber auch dort konnten wir leider nicht lange bleiben. Nach vier Jahren erhielten wir plötzlich die Nachricht, dass das Gebäude verkauft und abgerissen werden sollte. Die Buchbindermesse war wieder obdachlos. Es folgte eine äußerst mühsame und lange Suche, viele möglicherweise geeignete Räume wurden besichtigt, aber überall war irgendetwas nicht recht: zu groß, zu klein, zu dunkel, mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht erreichbar, am Sonntag nicht zu haben, zu abgelegen ...

Von Antwerpen nach Sint Niklaas
... bis wir eines schönen Tages den Rat bekamen, die Stadthalle (Stadszalen) in Sint Niklaas anzuschauen. Und da stimmte alles, es war perfekt für unseren Zweck. Also zog die Buchbindermesse 2007 nach Sint Niklaas um.
Auch hier war uns kein langes Bleiben vergönnt. Die Stadthalle kam – nachdem wir dort zu unserer vollen Zufriedenheit fünf Jahre lang Obdach genossen hatten – zu einem für uns vorzeitigen Ende. Glücklicherweise ließ die Stadt Sint Niklaas zur gleichen Zeit nur einen Steinwurf entfernt eine neue Halle bauen, so dass wir ab 2012 die Räume des nagelneuen Bau-huis nutzen konnten. Das ist zweifellos unser bis jetzt „edelster“ Veranstaltungsort.

Ein Schaufenster der Besten
Im Lauf der Jahre ist es mit der Hilfe Vieler gelungen, eine ungewöhnliche Gruppe von meist regelmäßigen Ausstellern aus Belgien, den Niederlanden, England, Frankreich, Österreich, Spanien und Dänemark auf die Buchbindermesse zu holen. Es sind lauter renommierte Vertreter ihrer Fachgebiete, die zusammen das Beste repräsentieren, was auf dem Gebiet von Papier, Leder, Pergament und ähnlichen Materialien und Werkzeugen zu finden ist; und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in weiteren Teilen der Welt. Die Messe ist inzwischen bekannt für das unglaublich breite Angebot von speziellen Papier- und Ledersorten. Schon darum ist sie auch für Nicht-Buchbinder interessant.

Und dann noch ...
Auf der Buchbindermesse werden die Besucher über Kurse, Ausbildungsgänge, Veranstaltungen, Zeitschriften und alles andere Wissenswerte informiert. Man kann Fachliteratur kaufen, und es gibt Vorführungen von z. B. Papierschöpfen, Marmorieren, Vergolden und Kalligrafie. Workshops werden veranstaltet: Buchbinden für Kinder, Papierschöpfen, Herstellen von kleinen Büchern. Buchbinder aus dem In- und Ausland sowie Lehrlinge aus unterschiedlichen Ausbildungsgängen zeigen regelmäßig ihre Arbeiten. Vereine und Verbände präsentieren sich.

Ida Schrijver
Munnekeburen, 2013

Ganz herzlich danke ich Susanne Krause für ihre wunderbare Übersetzung!